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Unsong Prologue (German Translation)

By Scott Alexander, Translated by Adrien Pfeuffer

[English original here]

I

Rückblickend, hatte es Vorzeichen und Omen gegeben.

(„Wir nähern uns nun dem Sonnenaufgang auf dem Mond,“ sagte William Anders, „und die Besatzung der ‘Apollo 8’ möchte eine Nachricht an alle Menschen zu hause auf der Erde senden.“)

Flüsse flossen bergan. Am Nachthimmel wurde ein neuer Stern gesichtet. Auf der Leber eines geschlachteten Schweines stand in deutlichen Buchstaben das Wort „OMEN“ geschrieben.

(„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe.“)

Blitze fuhren aus klarem Himmel. Aus den Wolken fielen Kröten. Die Wasser aller zehntausend Seen in Minnesota wurden zu Blut; Wissenschaftler machten „Phytoplankton“ verantwortlich.

(„Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis“)

Ein majestätischer, goldener Adler flog auf den Balkon des Vatikans hernieder während Papst Paul VI zu den Gläubigen sprach. Behutsam nahm der Vogel mit seinem Schnabel die Brille des Heiligen Vaters herab, hackte dessen linkes Auge aus und flog mit einem markerschütternden Schrei von dannen.

(„Und nannte das Licht Tag“, las Jim Lovell, „und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“)

Hunderte Meilen von der Küste wurde ein gestrandeter Wal gefunden. Ein Kind mit vier Augen wurde geboren.

(„Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, und die sei ein Unterschied zwischen den Wassern.“)

Aus den Wolken fielen Zettel auf welchen das Wort „OMEN“ geschrieben stand. Am Nachthimmel wurde ein gestrandeter Wal gesichtet. Unbeobachtete Babys rollten langsam, aber klar erkennbar bergan.

(„Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah also. Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag.“)

Eines der überzähligen Augen des vieräugigen Babys stellte sich als das linke Auge Papst Pauls VI heraus, welches seit dem Adler-Zwischenfall vermisst wurde. Die Herkunft des vierten Auges blieb unbekannt.

(„Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter,“, las Frank Borman, „daß man das Trockene sehe. Und es geschah also.“)

Eine Reihe gezielter Blitzeinschläge brannte das Wort „OMEN“ in den rostroten Sand der Sonora- Wüste; Wissenschaftler machten „Phytoplankton“ verantwortlich.

(„Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war.“)

Die New Yorker Börse stieg elf Tage in Folge um exakt ganzzahlige Beträge. Ein Gynäkologe veröffentlichte einen Artikel in einer obskuren, medizinischen Fachzeitschrift, in welchem er behauptete die Tritte ungeborener Kinder ergäben, als Morsezeichen interpretiert, Botschaften, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließen.

(„Wir, die Besatzung der ‘Apollo 8’ beenden diese Nachricht mit ‘Gute Nacht’, viel Glück und frohe Weihnachten. Gott segne euch alle - …“ [Plötzliches Rauschen, dann Stille])

II

Wenn ich einen Höhepunkt in der bisherigen Geschichte der Menschheit benennen sollte, so wäre es der 24. Dezember 1968.

1968 war ein Jahr der zerborstenen Träume. Im April wurde Martin Luther King ermordet. Im Juni wurde Robert Kennedy, Hoffnungsträger der Demokraten, ermordet. Im August walzten russische Panzer den Prager Frühling nieder. Es schien, als werde jeder Funke Hoffnung auf eine bessere Welt systematisch erstickt, einer nach dem anderen.

Eines Tages dann schalteten die Amerikaner ihre Fernsehgeräte ein und erfuhren, ohne jede Vorwarnung, eine Raumkapsel sei auf dem Weg zum Mond. Am 22. Dezember teilte die Besatzung in einer Live-Übertragung den Zuschauern auf der Erde mit, sie seien im Begriff die allerersten Menschen zu werden, die sich einem anderen Himmelskörper nähern. Übertragungsprobleme beendeten die Nachricht nach siebzehn Minuten, die Astronauten versprachen jedoch eine Fortsetzung nach Erreichen der Mondumlaufbahn.

Am 24. Dezember 1968 dann schalteten eine Milliarde Menschen – eine Zuschauerzahl, unerreicht in Vergangenheit und Zukunft – ihre Fernsehgeräte ein, um sich die kurze Botschaft von Apollo 8 anzusehen. Die Astronauten waren noch im Halbschlaf, übermüdet nach Tagen komplizierter Berechnungen und Beinahe-Katastrophen – aber ihre Stimmen drangen kräftig und klar durch das Rauschen. Kommandant Frank Borman stellte die anderen beiden Besatzungsmitglieder vor. Sie beschrieben den Mond, aus der Nähe betrachtet, als „eine wüste, einsame Ausdehnung des Nichts“. „Ein ahnungsvoller Horizont, ein dunkler und abweisender Ort“. Dann die Erde, aus der Ferne betrachtet: „Eine grüne Oase, in der großen Einöde des Weltraums.“

Nur noch zwei Minuten, bis der Sonnenaufgang die Verbindung unterbrechen würde. Die einzige Anweisung der NASA an die Astronauten war, „etwas Angemessenes zu tun“.

„Am Anfang“, las Bill Anders, „schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe.“

Und so lasen an Heiligabend für zwei Minuten, drei Astronauten aus dem Buche Genesis für eine Milliarde Zuhörer, von ihrer winzigen Blechbüchse herab, in welcher sie in hundert Meilen Höhe über die Mondoberfläche schossen.

Dann, mitten im Satz, krachten sie in die Kristallsphäre die unsere Welt umgibt, denn wie sich herausstellte, gibt es weit weniger Ding’ im Himmel und auf Erden als fast jede Schulweisheit sich träumt.

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